Analyse und Interpretation des Textes
Die Kurzgeschichte „Flitterwochen, dritter Tag“ wurde 1975 von Gabriele Wohmann geschrieben.
Bei dem zentralen Thema des Textes handelt es sich um zwischenmenschliche Probleme, insbesondere um Kommunikationsprobleme.
Die Kurzgeschichte erzählt von einem frisch verheirateten Ehepaar, das in seinen Flitterwochen ist. Aber während der Mann die ganze Zeit über ihre gemeinsame Zukunft redet, hört die Frau ihm nicht oder nur kaum zu und konzentriert sich eher auf einen Makel ihres Partners .
Man kann den Text in zwei sich immer wieder abwechselnde Sinnabschnitte einteilen: Der erste Teil beschreibt, wie die Ich- Erzählerin und ihr Mann Reinhard am dritten Tag ihrer Flitterwochen auf der Bierkneipenterasse sitzen. Reinhard spricht die ganze Zeit über die gemeinsame Zukunft, wobei es so aussieht, als ob diese einzig von ihm bestimmt und gestaltet wird (vgl. Z. 12+13).
Der zweite Sinnabschnitt besteht aus den Gedanken der Ich- Erzählerin. Während ihr Mann über das bevorstehende Zusammenleben redet, kann diese sich nur auf die Warze ihres Mannes konzentrieren. Diese wird im Text ziemlich deutlich beschrieben (vgl.: Z. 7, 11, 14, 17). Die Kurzgeschichte beginnt unmittelbar im Geschehen. Reinhard sitzt mit seiner Frau auf der Bierkneipenterasse. Während die beiden das Meer betrachten, redet Reinhard über die Zukunft, über die gemeinsame Zukunft. Auffällig dabei ist der hohe Redeanteil von Reinhard. Obwohl es um etwas Gemeinsames geht, redet nur er. Die Ich- Erzählerin fühlt sich scheinbar nicht sehr behaglich in dieser Situation ( Z. 2: „Ich kam aber nicht ganz dahinter, ob es mir richtig in dieser Situation behagte.“). Ich denke das Wetter steht sinnbildlich für die Atmosphäre zwischen den Eheleuten. Obwohl sie frisch verheiratet sind, kann man im Text keine merkliche Gefühlsregung erkennen. Das kann man auch auf das Wetter übertragen ( Z.2: Es war fast windstill…).
Den hohen Redeanteil Reinhards kann man den ganzen Text entlang durch die Wiederholungen seines Namens erkennen (vgl.: Z. 1, 3, 5…).
Reinhard ist derjenige, der anscheinend die ganze Zukunft plant und Entscheidungen übernimmt, ohne seine Frau nach ihrer Meinung zu fragen. Er entscheidet alles über ihren Kopf hinweg (Z.: 1:“ Du wirst deine Arbeit aufgeben.“). Alles soll später genauso sein, wie Reinhard es sich vorstellt. Die Wohnung wird nach seinem Geschmack eingerichtet und der Tee von seinem Teegroßhändler gekauft (vgl.: Z. 11+12). Die Ich- Erzählerin scheint ziemlich desinteressiert zu sein. Sie findet es bloß „nett, so einig zu sein“ (vgl. Z.13). Sie nennt das Gespräch abwertend nur „Gerede über alles“ (vgl. Z.16) und es scheint, dass ihr eigentlich alles gleichgültig ist. Dieses kann man auch auf die Farbsymbolik in Zeile 13 „abwegiges Grau der See“ übertragen. Für die Ich- Erzählerin ist das ganze Gespräch mit ihrem Partner langweilig.
Das Einzige, worauf sie sich wirklich konzentriert, ist die Warze ihres Mannes seitlich vom Schlüsselbein. Sie beschreibt diesen Makel sehr detailliert. Sie beschreibt ihn als „Polyp“ (Z.4), als „Narrenkappe“ (Z.11) und als „erstarrtes Feuerwerk“ (Z. 17). Sie steigert sich so hinein, dass sie für alle Worte ihres Mannes taub ist (Z.21: „…und ich habe eine zeitlang nicht zugehört…). Durch dieses Desinteresse an ihrem Mann und dem Gespräch über die Zukunft entfernt sich die Ich- Erzählerin auch auf der Gefühlsebene. Man erwartet von einem frisch verheirateten Ehepaar, dass sie turteln und glücklich sind. Bei dem Ehepaar in dieser Kurzgeschichte scheint es sich um das Gegenteil zu handeln. Sie gehen an keiner Stelle aufeinander ein, weder verbal noch emotional. Auch glaube ich, dass die Ich- Erzählerin gar nicht an eine glückliche Zukunft glaubt. Die Textstelle „Gewitter stand unmittelbar bevor“ (vgl. Z. 18) kann auf die Situation des Ehepaares übertragen werden. Es wird keine Zuneigung zwischen den beiden deutlich, keiner geht auf den anderen ein. Das Meer scheint für beide eine Ablenkung zu sein. So etwas wie ein „Zufluchtsort“, um sich nicht auf den Partner zu konzentrieren oder konzentrieren zu müssen (Z 17+18: „Reinhard schützte wiedermal ein Schiff vor und starrte durchs Fernglas runter auf den Strand.“). Die Ich – Erzählerin nennt diese Blicke „Seitensprünge durchs Fernglas“ (vgl. Z.25) und zeigt dadurch, dass es sich um eine emotionale Entfernung handelt. Besonders auffällig ist es, wie die Ich- Erzählerin über ihren Mann redet. Man hat das Gefühl, als ob sie über einen Fremden spricht. Besonders in den letzten Zeilen wird das deutlich. Als Leser bekommt man dadurch das Gefühl, als wenn es eine dritte Person in der Kurzgeschichte gibt. Erst in der letzten Zeile wird klar, dass es sich bei dem Mann mit der Warze um Reinhard handelt (Z31: „…mein Mann mit der Warze.“). Dadurch lässt sich erkennen, wie fremd sich die Ich- Erzählerin und ihr Mann wirklich sind und wie weit sie sich auf der Gefühlsebene voneinander entfernt haben.
Da es sich um eine Ich- Erzählerin handelt, kann man einen Einblick in die Gedanken und die Gefühlswelt dieser Person haben. Andererseits können wir dadurch nichts über die Gedanken Reinhards erfahren und wissen nicht, wie er über diese Situation denkt.
Abschließend kann man sagen, dass Reinhard und seine Ehefrau ein starkes Kommunikationsproblem haben. Keiner von beiden ist fähig auf den anderen einzugehen. Eine Lösung für dieses Problem könnte sein, dass sie anfangen darüber zu reden, was sie wirklich wollen. Dadurch könnten sie gemeinsam ihre Zukunft planen und wären sicherlich glücklicher. In einer funktionierenden Partnerschaft müssen die Interessen beider Partner berücksichtigt werden, dabei ist es wichtig, diese dem anderen zu vermitteln, also miteinander zu sprechen.
Anmerkungen:
Das Hauptmotiv die Warze hätte besser entschlüsselt werden können.
Die Sprache hätte zuweilen eleganter sein können.